Auf den ersten Eindruck sieht Pattaya aus, wie alle anderen touristischen Monokulturen mit Sonnengarantie und internationaler Speisekarte. Hotelhochäuser säumen die Uferpromenade, zahllose Restaurants und Cafés reihen sich aneinander und Straßenhändler verkaufen Souvenirs und kleine Snacks aus dem Bauchladen heraus. Es ist das ganze Jahr über heiß, meist über 30 Grad Celsius und sobald man die klimatisierten Räumlichkeiten des Hotels verlässt, bildet sich auf der Haut ein dünner Film aus schwüler Feuchtigkeit und Schweiß, der einem auch in der kühleren Nacht leicht klebrig sein lässt.

 

In 50 Jahren vom Fischerdorf zur Gelddruckmaschine

Bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Pattaya ein kleiner Fischerort. Dann kam die US-Army und errichtete, während des Vietnamkriegs, in der geschützten Bucht eine Rest and Recreation Area, eine Mischung aus Freizeitpark und Kurbetrieb, in der sich die Soldaten zwischen ihren Kriegseinsätzen in Fernost erholen sollten. Mit den Soldaten kamen die Kneipen und der Beginn der Prostitution. Nach dem Krieg verließen die amerikanischen Soldaten Thailand, das Geschäftsmodell von Sonne, Strand und Nachtleben blieb erhalten. Die Infrastruktur war bereits geschaffen, nur die Kundschaft wechselte. Es kamen nun Reisende aus aller Welt und der Begriff des Sex-Tourismus machte Karriere.

In Pattaya leben, nach Schätzungen der thailändischen Behörden, etwa eine halbe Million Menschen, registriert sind davon jedoch lediglich 100.000. Deutsche Rentner und thailändische Sexarbeiterinnen behalten meist ihren Hauptwohnsitz an ihrem Herkunftsort.

Valide Zahlen über Pattaya zu finden ist schwierig, es müssen hunderte Bars sein und zigtausende Angebote von käuflichem Sex.

Rund 27 Milliarden Dollar werden in Thailand mit Prostitution jährlich umgesetzt, das entspricht 14% des Bruttosozialproduktes des Landes. Zwischen 30% und 90% der Prostituierten sind mit HIV infiziert.

 

Für die einen ist es bittere Ausbeutung, für die anderen die größte Party ihres Lebens

Menschenrechtler prangern die Ausbeutung der Prostituierten in Pattaya an, die Party-Fraktion überschlägt sich in Internetforen mit Lobliedern über das Nachtleben an genau demselben Ort. Gleicht man die Berichte miteinander ab, ist es offensichtlich, dass es hier keine Schnittmenge in den Beobachtungen und Erfahrungen gibt und das hier gegensätzliche Weltanschauungen aufeinander prallen.

Was gibt es für mich an einem solchen Ort zu erleben, wenn ich dem Leben die Gelegenheit gebe, mir seine Geschichten zu erzählen? Ich will es herausfinden und mache mich auf den Weg.

 

Ankunft im Kuriositätenparadies

Für meinen Aufenthalt wähle ich ein Hotel am Stadtrand von Pattaya aus. Ich habe von den betrunkenen Russen gelesen, von den Gruppen junger arabischer Männer und von den frisch verhandelten thailändisch-europäischen Kooperationen, die die Nacht zum Tag machen und jeden Gedanken an Nachtruhe obsolet erscheinen lassen. Das ist nichts für mich, entscheide ich. Lieber fahre ich ein paar Kilometer mit dem Taxi ins Zentrum des Geschehens und kann dann wieder meine Ruhe haben, wenn ich finde, es reicht nun mit aufgeregtem Lärm.

Beim Check-In ist trotzdem sofort klar, an welchem Ort ich gelandet bin. Auf meinem Flur befinden sich nur drei Zimmer, vor der einen Nachbartür stehen ein paar Chucks in Männergröße und ein paar billige, abgetretene Pumps in Lackoptik mit Edelstahlabsatz. Long-Time, nennt sich in Pattaya das Geschäftsmodell, bei der die Frau nicht nur zur Verrichtung der sexuelle Dienstleistung mit ihrem Kunden auf dessen Hotelzimmer geht, sondern dort auch die Nacht verbringt und – je nach Absprache und Buchungskonditionen – am nächsten Morgen gemeinsam mit dem Farang, dem weißen Ausländer, frühstückt.

 

Pattaya ist nicht Thailand, es liegt nur in der Nähe von Thailand

Am frühen Abend springe ich auf die Ladefläche eines der vielen Pick-Ups, eines Songthaews, die hier als Taxi fungieren und auf deren Ladefläche sich bis zu zwölf Fahrgäste gegenüber sitzen können. Die meisten davon sind Männer, manche sind alleine, andere haben eine Asiatin an der Hand, ob es sich dabei um eine Thailänderin oder eine Philippina handelt, vermag ich nicht zu unterscheiden. Mit einem der anderen Fahrgäste komme ich ins Gespräch. Der Schweizer lebt seit zwei Jahrzehnten in Pattaya und arbeitet für ein Medienunternehmen. Mit dem Partybetrieb hat er nichts am Hut, gesundheitliche Gründe haben ihn in die feuchte Hitze geführt. Pattaya ist nicht Thailand, es liegt nur in der Nähe von Thailand, lässt er mich wissen und gibt mir seine Visitenkarte. Ich nehme sie gerne.

An der Second Road springe ich ab und drücke dem Fahrer durch das Beifahrerfenster 10 Baht, umgerechnet 26 Eurocent, in die Hand und mache mich auf den Weg zu meinen ersten Erkundungsstationen, den sogenannten Massage Parlors, deren Gebäude das Format von Wohnblöcken haben.

An der Tür steht Wachpersonal, das mir die Tür aufhält und mich förmlich begrüßt. Beim Betreten schießt mir sofort eisige Luft ins Gesicht. Was für eine starke Metapher. Die Thais haben einen ausgeprägten Hang zur Extremnutzung von Klimaanlagen. Im Halbdunkel angekommen, kommt ein Kellner zu mir, der mich an einen der zahlreichen Tische führt, an denen die Gäste in flachen Sesseln an kleinen Tischen sitzen.

Dieser Teil des Raumes erinnert mich an die Lounge eines Hotels. Gegenüber dieser Tischgruppenanordnung befindet sich eine hell erleuchtete dreistufige Tribüne, auf der etwa achtzig Frauen sitzen, die in ihrer Kleidung und ihrem Auftritt uniform sind, auch wenn sie alle etwas Unterschiedliches tragen. Lange gepflegte Haare, ein figurbetontes Oberteil, ein knapper Rock und lieber zu viel, als zu wenig Make-Up. An den Füßen baumeln hohe Schuhe in grellen Farben oder schwarzem Lack. Um die Oberarme tragen die Frauen einen Haargummi, an dem ein Button mit einer Nummer befestigt ist.

Blaue Buttons, rote Buttons und Buttons, auf denen vor der Nummer ein Buchstabe steht. Ich schaue interessiert in die Runde. Sobald ich mit einer der Frauen Augenkontakt habe, knipst sie ihr mechanisches Lächeln an, schaue ich wieder weg, kehrt sie zu ihrer regungslosen Maske zurück. Ich scheine ein fragendes Gesicht zu machen, der Kellner kommt angeflitzt und erklärt mir die Spielregeln. Rote Nummer: 52 Euro, blaue Nummer 65 Euro, Nummer mit Buchstabe: 78 Euro. Jeweils für 1 ½ Stunden.

Er denkt wohl, damit sei alles erklärt und will weiterflitzen zu den nächsten fragenden Gesichtern, die gerade den Raum betreten haben und deren Augen sich an das schwache Licht gewöhnen müssen. Ich winke ihn zu mir zurück und frage ihn, was in der gebuchten Zeit eigentlich stattfindet. Er erklärt mir, sobald ich mich für ein Girl, ein Mädchen, entschieden habe, soll ich ihm die Nummer der Frau mitteilen, an die Kasse gehen und bezahlen, die Frau würde mich dann dort abholen und mit mir nach oben gehen. Ich lasse ihn immer noch nicht gehen. Was dann oben passiert, will ich wissen. Es ist eine Mischung aus blöd-tun und blöd-sein, die ich dem Mann anbiete.

Ich war noch nie an so einem so schrägen Ort wie diesem. Pattaya first time, Pattaya das erste Mal, sage ich zu ihm in dem hier üblichen, grammatikfreien Englisch. Die Erklärung wird fortgesetzt. Die Frau würde mich und sich entkleiden, mit mir zusammen in den Jacuzzi gehen, mich baden und schampoonieren und dann: Boom boom. Offensichtlich kommt es hier nicht so oft vor, dass jemand genau wissen will, was im Kleingedruckten der Geschäftsvereinbarung steht und der Kellner unterstreicht die beiden letzten Worte mit dem internationalen Zeichen für Geschlechtsverkehr, um damit die letzten Unklarheiten meinerseits zu beseitigen. Dann wendet er sich einer chinesischen Reisegruppe zu, die gerade eingetroffen ist.

Ich bin froh, einen Moment für mich alleine zu haben und versuche in den Gesichtern der Frauen eine menschliche Regung zu finden, ein Gefühl, etwas Authentisches in ihrem Sein. Ich wandere mit meinem Blick von Gesicht zu Gesicht und sehe nur Fassade.

Baden? Schampoonieren? Die letzte Frau  die mich gebadet und schampooniert hat war meine Mutter, als ich etwa drei war. Diese angenehme Erinnerung möchte ich gerne unbeschädigt lassen und stelle mir gleichzeitig die Chinesen vor, wie sie alle gebadet und schampooniert werden, wie ihnen der Schaum in die Augen läuft und ihnen eine der kleinen Frauen mit dem Waschlappen durchs Gesicht fährt. Ich muss lachen, die Chinesen schauen zu mir, hier lacht nämlich sonst niemand.

Die Besucher aus dem Land des Lächelns machen Gesichter wie bei einem unangenehmen Arbeitsmeeting und bestellen Hochprozentiges. Vornübergebeugt sitzen sie um die Tische herum und sprechen leise. Ob sie auch so überrascht sind über das, was sich hier abspielt, kann ich nicht erkennen. Die Kulturkluft zwischen ihnen und mir ist zu groß, ich riskiere keine Interpretation. Inzwischen bin ich ziemlich durchgefroren, zahle den moderaten Preis für meinen Softdrink und verlasse das Etablissement.

Vor dem Haus, auf dem Parkplatz mit dem Schild „Privat“ steht ein kostspieliges Auto aus süddeutscher Produktion, das vermutlich dem unsichtbaren Besitzer dieses Bordells gehört.

Ich gehe auf einen Sprung in drei weitere Massage-Parlors, spare mir das Hinsetzen und das Bestellen eines Drinks, was den Kellner sichtlich irritiert und habe den Eindruck, dass es sich hierbei um identische Geschäftskonzepte handelt. Männer an Tischen, Frauen auf Tribünen, die einen im Halbdunkel, die anderen in gleisendem Neonlicht, die einen lässig in kurzen Hosen, Hemd und Sandalen, die anderen maximal gestylt.

Heeeeeey, man! Have a drink with me!

Mein Streifzug geht weiter in die Soi Six, die sechste Straße, hier befinden sich die Beer Bars. Bars, in denen männliche Kundschaft auf Frauen trifft, die von den Barbetreibern dafür bezahlt werden, dass sie mit den Kunden gemeinsam trinken und, falls diese das möchten, mit ihnen aufs Zimmer gehen. Boom boom. Short-Time. Verrichtung der sexuellen Dienstleistung, fertig. Wie lange Short-Time ist, will ich wissen. You come, I go, du kommst, ich gehe, ist die knappe Antwort der jungen Frau, bevor sie wieder an ihrer Zigarette zieht.

Kostenpunkt für die Dienstleistung im ersten Stock: 25-50 Euro. Ich finde es sehr schwierig mit den Frauen ins Gespräch zu kommen. Meist schreien sie mich aus der Bar heraus an: Hey, man! Mit mindestens zehn „e“ in der Mitte. Manchmal rufen sie auch einfach boom boom über die Straße. Hier ist eine Bar neben der nächsten. Die Frauen tragen in jedem Lokal ein anderes Kostüm. Als eine Art Betriebsuniform. Am meisten beeindruckt mich: Knappes, bauchfreies, braunes Top, sehr kurzer, schwarzer Mini-Rock und dazu schwarz/braune Ringelkniestrümpfe in schwarzen, hochhackigen Lacksandaletten.

Manchmal kommen die Frauen auch aus der Bar auf die Straße und halten mich fest, wollen mich in die Bar ziehen, reden zu mehreren auf mich ein und übertreffen sich gegenseitig mit Versprechungen, was ich alles verpasse, wenn ich ihnen nicht in das erste Obergeschoss der Bar folge. Erstaunlicherweise lassen sie mich ziehen, wenn ich sage: Maybe later, vielleicht später. Vom Schampoonieren ist hier nicht mehr die Rede.

Boom boom klingt meistens weich, wie Thai eben weich klingt, mit vielen Vokalen und einzelnen Konsonanten als Bindeglieder. Phonetisch deutsch geschrieben könnte es so gehen: Buuhm buuhm, mit der Betonung auf den Vokalen, die schon bei einer kleinen Veränderung eine andere Bedeutung haben. Die aggressive Animation der Bar-Frauen klingt wie: Bumm bumm, eher wie ein Gefecht denn wie ein Liebesspiel.

Frauen, Männer und Ladyboys, in Pattaya gibt es für alle meist nur eine Toilette

Ich ziehe weiter und lande in einer Straße mit Gay-Bars. Im Grunde wiederholt sich hier die gleiche Szenerie wie in der Soi Six, nur das nun junge Männer vor den Bars sitzen und mir zuwinken, mich herwinken, mir Versprechen zurufen und manchmal auch auf die Straße kommen, um mit mir zu reden. Sie sind weniger offensiv als ihre weiblichen Kolleginnen und meist sehr feminin. Zarte Geschöpfe mit gestylten Haaren, bei deren Anblick italienische Fußballstars neidisch werden würden. Es ist auch nicht von boom boom die Rede, sondern von „zusammen sitzen“ und „miteinander reden“.

Ich bin auf eine seltsame Art gerührt und fühle mich schäbig dabei, die Zeit der jungen Männer zu verschwenden, da ich an ihrer Dienstleistung ja kein echtes Interesse habe. So stehe ich noch einen Moment mit ihnen auf der Straße, einer von ihnen hält zärtlich meine Hand und dann gehe ich weiter, nicht ohne mit einem echten Lächeln einen guten Abend gewünscht zu haben.

Ein paar Meter weiter bin ich plötzlich von großen Gestalten umringt. Menschen mit der Körperlänge von Männern, in halsbrecherisch hohen Schuhen, mit großen, unnatürlich drallen Brüsten und ebenso großen Händen. Ich muss mehrfach hinschauen, um zu merken, mit wem ich es zu tun habe. Hier haben Menschen bei der Erstellung ihrer Identität richtig Arbeit investiert. Eine Hand mit sehr langen Fingernägeln streicht über meinen Arm. Ich muss den Kopf etwas in den Nacken legen, um der Person ins Gesicht zu schauen. Mir ist es einfach zu eng, zwischen den Fünfen eingequetscht zu sein und ich verschaffe mir Platz. In einer Wolke aus Parfüm setze ich meinen Weg fort.

In den Bars sitzen Männer alleine, mit anderen Männern, Männer mit Frauen, europäische Männer, asiatische Männer, indische Männer, afro-amerikanische Männer und alle machen das gleiche gelangweilte Gesicht, wenn nicht irgendwo gerade mal ein Kalauer gerissen wird und sich die Tischgruppe stereotyp auf die Schenkel haut. Manche spielen auch Billard oder schauen auf einer der Großleinwände Fußball. Als könnte man das alles in Wanne-Eickel oder Augsburg nicht einfacher haben.

 

Let’s get the party started!

Ich will jetzt endlich Leute treffen, die Spaß haben, schließlich bin ich in einer Party-Stadt. Ich nehme Kurs auf die Walking-Street, dem Zentrum des Nachtlebens in Pattaya. Die Walking-Street ist knapp einen Kilometer lang, nachts für den Straßenverkehr gesperrt und ruft seine Besucher schon von weitem mit ohrenbetäubend lauter Musik zu sich.

Gleich am Eingang der Walking-Street fangen mich die „Hooker“ ab, ernst dreinblickende Männer, die mich für einen Besuch in einem der Nachtclubs zu begeistern versuchen. Zu diesem Zweck halten sie mir laminierte Fotostrecken sprichwörtlich unter die Nase. Ohne Lesebrille kann ich die Untertitel und Preise im Dunkeln nicht erkennen, nur die Überschrift ist groß genug: Real Life Fucking Show. Maybe later, sage ich zu dem Mann mit Base-Cap. Die Vertröstung auf die Zukunft funktioniert auch hier, er lässt mich in Ruhe.

 

That’s Entertainment!

In der Mitte der Walking Street hat sich eine Menschentraube um einen Straßenkünstler gebildet. Der Mann ist ein großer schlaksiger Thai in Röhrenjeans und schmuddeligem schwarzen T-Shirt, seine Haare sind mit Wasserstoffperoxid bearbeitet, was seinen ursprünglich schwarzen Schopf aussehen lässt, wie eine gelbe Perücke. Breitbeinig steht er mit verschränkten Armen vor einer Box und fordert die knapp hundert Menschen aller Nationen dazu auf, Geld in die Box zu werfen, vorher fängt seine Show nicht an. Mit Gesten signalisiert er dem erwartungsvollen Publikum, wie viel Geld noch fehlt. Wenn jemand lernen möchte, wie ein selbstbewusster Auftritt vor einem Publikum funktioniert: Hier ist ein Musterbeispiel zu sehen.

Als der Mann mit der Menge an Geldscheinen in seiner Box zufrieden ist, nimmt er beide Daumen hoch und steckt sich eine Zigarette an. Und noch eine. Und noch eine. Und noch eine. Mit einer Hand nimmt er die vier brennenden Zigaretten aus dem Mund und ruft: Volunteer, Freiwilliger! Und deutet dabei mit dem Zeigefinger seiner freien Hand auf einzelne Männer aus dem Publikum. Es geht ein Ruck durchs Publikum. Seine Körpersprache wird verstanden. Alle lehnen ab. Die Gesichter der Männer zeugen von Schrecken, die der Frauen von Verzückung. Er sucht einen Freiwilligen, keine Freiwillige. Die Spannung steigt. Das Publikum johlt, Gruppen von Männern schubsen einzelne in die Mitte des Kreises aus Menschen und erklären den Geschubsten zum Freiwilligen, der daraufhin so schnell er kann wieder in der anonymen Menge verschwindet.

Unter den gelben Haaren funkeln die wachen Augen und in der Mitte der Menschenmenge stehend, ziehen die schmalen Lippen an allen vier Zigaretten gleichzeitig. Ein Mann löst sich aus seinem Männerknäuel und schreitet demonstrativ mutig auf den Straßenkünstler zu. Die Menge applaudiert, unzählige Mobiltelefone werden zum Filmen hochgehalten. Endlich passiert hier etwas. Begrüßung mit Handschlag. Nach einer Kunstpause beginnt die Show.

Der Straßenkünstler nimmt eine der Zigaretten aus dem Mund und macht Anstalten sie dem Freiwilligen vorne in die Hose zu stecken. Brennend. Der Freiwillige macht große Augen, wehrt die Aktion ab und flüchtet zurück zu seinen Kumpels. Die Menge grölt und lässt die beiden Männer in Interaktion in einem Sprachenpotpourrie aus Zurufen baden. Der Kreis der Menschenmenge wird enger. Alle wollen sehen, wie es weiter geht.

Männer nehmen ihre Kinder oder ihre Freundinnen auf die Schultern. Der Straßenkünstler geht seelenruhig zu dem geflüchteten Freiwilligen und spricht mit ihm. Ruhig und freundlich. Wie mit einem Kind oder einem kranken Tier. Oder jemandem, der einfach keine brennenden Zigaretten in seiner Hose haben möchte. Die beiden kehren zurück zur Mitte, der Freiwillige scheint nun mäßig zuversichtlich zu sein. Der Thai nimmt wieder die erste Zigarette aus dem Mund und versenkt sie, diesmal blitzschnell, in der Hose des Mannes, hebt die Arme wie ein Boxer nach seinem K.O.-Sieg und fordert von der Menge Beifall ein. Die lässt sich darum nicht bitten. Die Leute klatschen begeistert in die Hände, lachen, versorgen den Freiwilligen mit Spott und Häme, um das zu erkennen muss ich nicht Hindi, Mandarin, Italienisch oder Japanisch sprechen. Plötzlich spricht die Staatengemeinde eine global verständliche Sprache.

So geht es weiter. Die zweite, die dritte, und die vierte Zigarette verschwinden hinter dem Hosenlatz des Freiwilligen, der sich mit seinem Schicksal abgefunden hat und gleichzeitig mit einem lachenden Auge die Aufmerksamkeit des Publikums empfängt. Nachdem alle vier brennenden Zigaretten in der Hose verschwunden waren, hebt der Straßenkünstler wieder die Arme, zeigt, dass seine Hände leer sind und greift nach dem Handgelenk des Freiwilligen, steckt sich dessen Daumen in den Mund, zieht demonstrativ kräftig daran und atmet aus. Atmet Zigarettenrauch aus. Das wiederholt er mehrere Male. Das Publikum tobt.

Dann geht alles sehr schnell. In einer Höllengeschwindigkeit greift er dem Freiwilligen viermal in die Hose, holt vier brennende Zigaretten hervor und tritt sie auf dem Boden aus. Die Menge ist begeistert und ich bin es auch. Lachend finde ich einige andere begeisterte Gesichter und als sich unsere Augen treffen, entsteht so etwas wie Verbundenheit in der Freude über den gemeinsam erlebten Zaubertrick. Das erste Mal heute Abend bin ich mit Menschen zusammen, die es lustig haben.

Die Show ist zu Ende, sagt die Gestik des Künstlers, noch einmal fordert er die Menge auf, Geld in die Box zu werfen. Viele geben etwas, andere wollen noch ein Selfie mit ihm machen. Der Mann ist ein Profi, posiert wie gewünscht für die Selfies und bringt seinen Auftritt souverän zu Ende. Ich bleibe bis zum Schluss stehen und bin fasziniert von der Lebendigkeit der unerwarteten Szenerie. Als sich das Spektakel aufgelöst hat, setzt sich der von der Menge Entlassene am Straßenrand auf den Boden, zählt die Geldscheine und steckt sie zusammengeknüllt in die Gesäßtasche seiner Jeans. Dann raucht er eine Zigarette. Ganz in Ruhe.

Go-Go-Bars in Pattaya, same same but different!

Vor den Go-Go-Bars stehen junge Frauen, in knapper Kleidung, mit großen Schildern in der Hand auf denen die Bierpreise des Lokals angeschrieben sind. Hot Girls, heiße Mädchen, lässt mich der Türsteher wissen. Ich gehe in die Bar. Das Licht ist schummrig, es ist wieder eiskalt, ein Kellner führt mich zu einem freien Barhocker und nimmt meine Bestellung auf. In Pattaya ist kein Schritt unbegleitet möglich, sobald man eines der Etablissements betreten hat. Ich lasse es mich über mich ergehen. Auf der Bühne stehen etwa fünfzehn sehr junge Frauen, kaum eine dürfte über zwanzig sein und wackeln auf hochhackigen Schuhen im Rhythmus der irre lauten Musik, die eigentlich nur aus einem monotonen elektronischen Klangteppich besteht, von einem Fuß auf den anderen, während sie sich an den zahlreichen Pole-Dance Stangen festhalten.

Alle tragen den gleichen weißen Bikini, der aus einem Hauch Höschen und einem Hauch Oberteil besteht. Das Farbenspiel der Lichtanlage auf dem weißen Stoff ist toll. Alle Frauen in diesem Club haben auffallend makellose Körper, der Club ist im hochpreisigen Segment angesiedelt. Je makelloser der Frauenkörper, desto höher das Honorar für den Service. Ganz einfach.

Ich werfe einen Blick in die Runde und schaue in die Gesichter der Männer. Diesen kollektiven Gesichtsausdruck des Nichts-Denkens, Nichts-Fühlens und eigentlich auch Nicht-Anwesend-Seins kenne ich jetzt ja schon. Lebendigkeit geht anders. Neben mir sitzt ein Asiate, er spricht kein Englisch und wirkt über meine Ansprache irgendwie erschreckt, zu meiner anderen Seite sitzt ein Engländer, der meine Frage danach, wie es ihm hier gefällt damit beantwortet, in dem er den Kopf abwendet. Ich habe verstanden.

Ziemlich lange passiert nichts Neues. Die Frauen wackeln, die Männer schauen, ich nuckele am Strohhalm meines eiskalten Softdrinks, der zur Hälfte aus Eiswürfeln besteht. Ab und zu kommt ein Kellner vorbei und signalisiert mit einem doppelten Daumen hoch, wie viel Spaß wir hier doch alle haben. Niemand reagiert darauf, niemand erwidert sein künstliches Lachen. Alle schauen mit Pokergesicht auf die Frauen und lassen nicht durchblicken, womit sie beschäftigt sind.

Als ich im Begriff bin zu gehen, passiert doch noch etwas. Ein Europäer winkt eine der Wackelnden zu sich und lädt sie zu einem Drink an der Bar ein. Sie lächeln sich an. Sie bewegt sich vorsichtig und unfallfrei die kleine Treppe von der Bühne herunter und stolpert mehr als das sie geht auf ihren sehr hohen Schuhen zu dem Mann. Lange läuft diese Frau noch nicht auf hohen Hacken. Sie schenkt dem Mann ein Lächeln, das echt sein könnte. Der Mann scheint dankbar dafür zu sein und strahlt die junge Frau, die locker seine Tochter sein könnte, mit einem breiten und freundlichen Lachen an.

Die beiden sitzen dicht nebeneinander an der Bar, die tanzenden Frauen vor der Nase und starten eine Unterhaltung, die sich so gestaltet, dass sie sich abwechselnd ins Ohr brüllen. Nach einer Weile legt der Mann seinen Arm um die Taille der Frau und beginnt sie zu streicheln. Sein Interesse an ihr scheint sich bestätigt zu haben und seine Hände signalisieren der Frau etwas von nach oben gehen. Er steht auf, geht zur Kasse, bezahlt und schon steht die junge Frau neben ihm und führt in an der Hand in das Obergeschoss der Bar. Vorhang und ab.

Kurze Zeit später stoppt die Musik für einen Moment, offensichtlich das Zeichen für die Frauen auf der Bühne für den Schichtwechsel. Sie trippeln die Stufen hinunter und verschwinden in der Garderobe. Zeitgleich gehen auf der anderen Seite der Bühne die gleiche Anzahl junger Frauen in Startposition. Diesmal tragen alle einen schwarzen String-Tanga, ihre Brüste haben sie mit durchsichtigem, schwarzem Tüll bedeckt. Das Gewackel beginnt von neuem, ich steuere auf den Ausgang zu. Einer der Kellner bietet mir zum Abschied ein High-Five an. Ich lehne ab. Beim Verlassen der Bar schlägt mir feuchte Hitze ins Gesicht.

Ich gehe noch in zwei andere Go-Go-Bars. Dort wiederholt sich die Szenerie, nur dass die jungen Frauen in der einen Bar mit unbekleideten Brüsten auf der Bühne stehen und in der anderen gänzlich nackt vor den Männern ihre Wackel-Performance zum Besten geben. Etwa eine Armlänge trennen die Männeraugen dort von der unbekleideten Scham der tanzenden Frauen, da sich die Männerköpfe etwa auf Kniehöhe der Frauen befinden, wenn die Männer an der Bar sitzen und die Frauen auf der Bühne stehen.

 

Walking-Street Impressionen

In der Walking-Street reiht sich Club an Club, die Anwerberinnen suchen den Blickkontakt zu den Männern und schreien, gegen die Musik, über die ganze Gasse hinweg, wenn sie die Chance wittern, jemanden zum Besuch ihres Clubs animieren zu können. Manche Besucher filmen die jungen Frauen mit dem Handy, obwohl Filmen in der Walking-Street verboten ist. Die Sicherheitskräfte des jeweiligen Clubs leuchten den Filmern mit starken LED-Taschenlampen in die Handykameras. Auge um Auge.

Ich vertrete mir die Füße und schlendere hin und her. Die Inder und Chinesen sind in Gruppen unterwegs, die Inder kumpelhaft untergehakt oder die Arme um die Schultern des anderen gelegt, die Chinesen folgen geordnet ihrer Reiseleitung, die mit Wimpel voran durch die Walking-Street schreitet, wie auf einem Eroberungsfeldzug. Die meisten einzelnen Männer sehen europäisch aus, es sind aber auch viele Paare zu sehen, bei denen die Frauen auffallend oft mit der Textilfreiheit der Professionellen konkurrieren. Das sieht bizarr aus. Als ob die Partnerinnen der Besucher mit der vermeintlichen Sexyness der Go-Go-Girls mithalten wollen und dabei mit ihrem Sonnenbrand und den Bikini-Streifen so unsexy aussehen, wenn sie sich schutzsuchend oder besitzsichernd bei ihren Männern unterhaken.

Manche Paare haben Kinder im Kindergartenalter an der Hand. Es ist viel zu laut, als das ich hören könnte, wie sie ihrem Nachwuchs erklären, was sich hier abspielt. Ich sehe nur die Kinderaugen, die Zeigefingern folgen und Münder von Müttern und Vätern, die auf und zu gehen. Die Kleinsten in den Buggies werden mit Zuckerwatte und Limonade beschäftigt

Aus einem Club dröhnt Live-Musik. Du hasst mich! Du hasst mich! Du hast mich nicht gefragt! Eine Thai-Band mit deutschem Sänger versucht sich hier an einem Rammstein-Cover. Ein kunstvoll frisierter und geschminkter Ladyboy wiegt seinen muskulösen Körper im Takt der Musik, dass seine großen Ohrclips abzufallen drohen. Das Publikum trinkt Bier aus der Flasche.

In der Mitte der Walking-Street sitzen zwei Polizisten hinter provisorisch aufgestellten Tischen in Campingstühlen und machen von sich Selfies mit einem Selfie-Stick. Erinnerungen an den Einsatz auf der Sündenmeile? Prostitution ist in Thailand illegal. „So etwas wie Prostitution gibt es in Pattaya nicht“, sagte der Polizeichef von Pattaya, Apichai Krobpetch, in einem Interview der Bangkok Post. Na dann.

Im Supermarkt steht an der Kasse vor mir eine Sexarbeiterin mit einem Mundschutz gegen Infektionen, wie sie in Deutschland von Zahnärzten getragen werden und kauft ein Päckchen Zigaretten. Ich habe aufgehört, hier alles verstehen zu wollen. Ich hole mir etwas zu trinken und setze mich am Straßenrand auf einem Stein, neben einen Europäer. Werner ist Deutscher wie sich herausstellt und kommt seit Jahren nach Pattaya. Nein, die „Mädchen“, wie er sie nennt, sind hier nicht grundsätzlich „besser“, was auch immer er damit meint. Was es dann ist, will ich wissen, was ihn hierherkommen lässt, Jahr für Jahr für ein paar Wochen. „Alles“, ist die Antwort.

Werner will weiter, zum Straßenstrich der sich entlang der Uferpromenade befindet. Ob ich mitkommen kann, frage ich ihn. Klar! Ich habe den Eindruck, dass ich hier der Einzige bin, der sich dabei unwohl fühlt, als potentieller Kunde von Sexdienstleistungen von den Familien, Paaren und Frauen angeschaut zu werden. Vielleicht ist das aber auch für viele Sex-Touristen der Reiz von Pattaya. Diese Ungeniertheit, mit der hier Frauenkörper gemietet werden. Als Freier akzeptiert zu sein und nicht stigmatisiert zu werden. Die Perversion zur Dominanzkultur zu küren und sie somit zur Normalität zu erklären.

 

Mit Werner durch die Nacht – Eine Guided-Tour in Pattaya

Wir laufen los. Das Tempo ist hoch. Werner ist auf der Suche. Er checkt die Frauen am Straßenstrich ab, die im Abstand von wenigen Metern nebeneinander stehen. Manche mit viel Make-Up auf Vamp gestylt, manche in kurzer Hose, T-Shirt und Flip-Flops. Eine der Frauen trägt so etwas wie einen einfarbigen Schlafanzug und dazu Hausschuhe mit einem Hasengesicht und Hasenohren, die jedes Mal wippen, wenn sie von einem Fuß auf den anderen tritt. 15 Euro für Short-Time, 20-30 Euro für Long-Time, erklärt mir Werner, der sich problemlos in die Rolle meines Pattaya-Tutors eingefunden hat. Unterwegs sehe ich eine Gruppe von Indern, die gleich zu viert mit einer Frau die Geschäftsverhandlung führt und zahllose, starrende Männer, die musternd an den Frauen vorbei gehen ohne eine Regung zu zeigen.

Ich sehe einen jungen Mann, der sich mit einer Straßenprostituierten über das Geschäft einig wird. Die beiden sind vielleicht Anfang zwanzig. Arm in Arm gehen sie los. Das erste, was er macht, ist ein Selfie von der Frau und sich, bei dem er ihr hinter ihrem Kopf Hasenohren macht.

Ein Mann mit Platte und grauen Schläfen ist mit dem genannten Preis einer Frau nicht einverstanden und simuliert übertrieben Tränen, die er sich gestisch mit den Händen aus dem Gesicht reibt. Die Frau schaut ihn ratlos an. Der Mann lacht. Die Frau versucht ihren Körper zu vermieten, der Mann treibt mit ihr Späße wie ein kleiner Junge.

Werner wird fündig. Kurz verhandelt er mit einer Frau, beide wissen wie dieses Geschäft funktioniert, das Gespräch dauert keine Minute, Zeit für Werner und mich uns einen schönen Abend zu wünschen.

Minderjährige Prostituierte – Die sichtbare Spitze des Eisbergs

An einem Abschnitt der Beach Road warten Mädchen auf Kundschaft. Ich muss zweimal hinschauen, um meinen Augen zu trauen. Ich versuche ihr Alter zu schätzen und halte keine für volljährig. Als ich aus meiner fassungslosen Gedankenversunkenheit auftauche, merke ich, wie ich in ein weibliches Augenpaar glotze, dass mich fragend anschaut.

Dass es in Thailand Kinder zu kaufen gibt ist mir klar, dass das so öffentlich passiert, wusste ich nicht.

Ein Polizeiauto hält an, Polizisten steigen aus, gehen an der Mädchengruppe vorbei und umkreisen einen jungen Mann, der nur wenige Meter weiter an das Geländer der Uferpromenade lehnt und den ich noch gar nicht wahrgenommen habe. Die Polizisten leuchten mit großen Stabtaschenlampen auf die Hände des Mannes, machen Einschüchterungsgesten, durchsuchen seine Taschen und gehen kurz darauf weiter. Der Mann wirkt leicht verstört, die Mädchen machen große Augen, ich bin geschockt. Was haben die Polizisten wohl für einen Auftrag?

 

Endstation Straßenstrich

In den dunklen Ecken der Beach Road stehen die Frauen, die keine Chance haben ihr Geld in den Go-Go-Bars, den Massage Parlors oder den Beer Bars zu verdienen. Sie sind alt, krank, drogensüchtig, übergewichtig oder offensichtlich verrückt. Auf dem Boden sitzt eine Frau im Schneidersitz mit einer Amy Winehouse-Frisur und schimpft lautstark vor sich hin. Es scheint sich um Ärger über ein vergangenes Ereignis zu handeln. Außer ihr ist niemand da und die Passanten machen einen großen Bogen um die zierliche Frau in abgetragenen schwarzen Leggings und einem schwarzen T-Shirt. Als ich eine halbe Stunde später, auf meinem Rückweg, wieder an ihr vorbei komme, schimpft sie unverändert und haut nachdrücklich mit einer Getränkedose auf den Boden.

Betreuter Sex-Tourismus oder: Wenn Verzweiflung alles möglich macht

Es scheint manchmal auch noch um etwas anderes zu gehen, als um schnellen Sex. In Pattaya sind viele Touristen bereits tagsüber mit Thai-Frauen unterwegs, sitzen händchenhaltend nebeneinander im Restaurant oder gehen untergehakt am Strand spazieren. Oft sind es Männer über fünfzig, auffallend viele von ihnen haben körperliche Gebrechen oder Behinderungen.

Im einem der Pritschen-Taxis sitze ich einem solchen Paar gegenüber, er ist ein älterer Mann um die siebzig, sie ist etwa um die fünfzig und er schafft es kaum auf den Pick-Up. Sie hilft ihm die zwei Trittbretter hinauf, oben angekommen schnauft er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Während der Fahrt muss er husten und niesen, ein Speichelfaden spannt sich von seiner Unterlippe zu seinem Hemdknopf in der Brustmitte. Der Faden reißt nicht, sondern tanzt im Wind. Der Mann bemerkt es nicht, dafür aber seine Begleiterin. Ohne sichtliche Gefühlsregung nimmt sie ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischt ihm kommentarlos den Speichel vom Mund. Betreuter Sextourismus?

Viele der Männer wirken auf mich bedürftig. Wie kleine, ängstliche Jungen halten sie ihre thailändischen Begleiterinnen an der Hand, wie in ihrer Kindheit wohl die Mutter, als hätten sie Angst, dass ihnen die Frau gleich wieder entschwindet. Die Frauen verhalten sich ähnlich. Wie kleine Mädchen hängen sie an den Unterarmen der Männer und das liegt nicht nur an ihrer deutlich kürzeren Körperlänge. Hier trifft so viel Armut aufeinander. Emotionale Armut und materielle Armut. Die einen geben ihr Geld, die anderen ihren Körper, ihre Zeit, ihre Zuwendung. Bei den Frauen kommt wohl manchmal beides zusammen. Und auch die Männer wirken oft nicht wirklich wohlhabend. In Deutschland würden viele von Ihnen im Supermarkt wohl nach den Produkten aus den unteren Regalen greifen.

Soviel Tragik auf beiden Seiten, wie Kinder, die sich in ihrer Not aneinanderklammern. Den wirklichen Profit machen die Betreiber der Hotels, der Clubs und der Restaurants.

Ich kam, sah und machte den Abflug!

Mir reicht‘s, ich laufe zur Taxistation. Sobald der Pick-Up mit Fahrgästen in eine bestimmte Richtung voll besetzt ist, geht’s los. Wenn ein Fahrgast an seinem Ziel angekommen ist, genügt ein Druck auf die Klingel beim Fahrer und der Pick-Up hält an, um den Fahrgast aussteigen zu lassen.

Nach einer Weile sitzen nur noch eine Thailänderin und ich auf den Pritschen des Fahrzeugs. Woher ich komme, will sie wissen und wohin ich unterwegs bin. Ich bemerke, wie ich sie von oben bis unten mustere. Ob ich hier in einem Verkaufsgespräch gelandet bin, versuche ich herauszufinden. Ich bin ob meines Misstrauen nicht besonders freundlich und antworte der Frau zunächst sehr reserviert. Sie lässt nicht locker, wir quatschen uns ein bisschen warm. Es wird ganz nett. Fünfzehn Minuten Small-Talk. Irgendwann drückt sie auf die Klingel, wünscht mir eine gute Zeit und springt ab. Ich muss über mich und meine Unterstellung lachen. Vielleicht ist eine Nacht in Pattaya auch einfach genug für mich.

 

Mehr über mich und meine Arbeit finden Sie auf meiner Homepage.