Präsenz in der Sexualität ist total wichtig. Wenn ich nicht präsent bin, bekomme ich ja gar nicht mit, was gerade zwischen mir und meiner Partnerin oder meinem Partner passiert und was wir hier miteinander tun. Aber was bedeutet es, in der Sexualität präsent zu sein?
Wenn wir im Sex nicht da sind
Studien zufolge denken 50 Prozent der Menschen beim Sex an jemand anderen. Das heißt, die sind überhaupt nicht bei sich und nicht bei dem anderen. Sie sind nicht bei der gemeinsamen Interaktion, sondern irgendwo unterwegs in Phantasien, Erinnerungen, Vorstellungen, sonst irgendwelchen Konstruktionen, die mit dem echten Leben nichts zu tun haben. Viele Menschen berichten aber auch, dass wenn die Hitze in der Sexualität anfängt zu fließen, sie ihren Körper verlieren, dass es alles einfach zu viel ist, dass sie nicht mehr wirklich was fühlen, dass sie ausspacen. Und genau das gleiche passiert bei anderen Menschen, wenn zu wenig Energie fließt, wenn zu wenig Stimulation da ist. Sie sind einfach nicht richtig da und spüren nichts. Sie sind nicht bei der Sache, sondern mit ihren Gedanken irgendwo unterwegs und von ihrem Körper, ihren Gefühlen und der Interaktion bekommen Sie eigentlich nicht wirklich viel mit.
Jeder kennt diese Augenblicke
Wann sind wir präsent? Ich bin präsent in meiner Sexualität, wenn ich alles spüren kann, was beim Sex passiert. Die Hitze anfängt zu fließen und ich merke, dass mein Atem etwas schneller und etwas tiefer wird. Und ich merke, dass die Hitze auch im Körper meiner Partnerin anfängt zu fließen und ihr Atem etwas schneller und etwas tiefer wird. Ich kann beides spüren: sowohl meinen Körper und die Veränderungen in meinem Körper, als auch den Körper meiner Partnerin und wie es sich in ihrem Körper verändert. Oder die Hitze nimmt zu, aber nur bei ihr, nicht bei mir. Jetzt wird die Hitze wieder weniger. Es fängt an sich zu beruhigen und wir atmen im gleichen Rhythmus. Oder atmen wir im Gegenrhythmus. Oder jeder atmet in seinem Rhythmus und es gibt keine Korrelation, sondern die Verbindung ist auf einer anderen Ebene.
Die Aufmerksamkeit zurück zum Sex bringen
Um die Aufmerksamkeit zurück zum Sex zu bringen, kannst du dich fragen: Wie fühlt sich das an, Brust an Brust und Bauch an Bauch und Genital an Genital? Kann ich mich selbst spüren? Kann ich meine Partnerin spüren? Und kann ich den Raum zwischen uns spüren? Kann ich spüren, wo ich anfange und wo meine Partnerin aufhört? Und denke ich über etwas während der Interaktion? Denke ich vielleicht „ja, so ist es gut“ oder denke ich vielleicht „nee, wirklich nicht, so ist es nicht gut“? Und kann ich beobachten, dass es Gedanken sind oder werde ich zu den Gedanken? Und kann ich den Gedanken auch wieder ziehen lassen? Kann ich wieder zurückkommen und wahrnehmen, wie es jetzt ist? Spüre ich die Hitze, den Energiefluss, wie sie kommt und wie sie geht? Was passiert da, wenn ich meinen Körper vollständig wahrnehme, wenn ich meine Füße spüre, meine Beine, meine Hände, meine Arme, meinen Rücken, meinen Bauch, mein Becken, meine Brust, meinen Kopf, meine Augen, meine Zunge, meinen Mund? Und was passiert, wenn ich fühle, was es zu fühlen gibt, und wenn ich beobachte, was ich darüber denke? Und wie fühlt es sich an, wenn ich merke, dass ich mit meinem Körper meine Partnerin fragen kann? Was passiert als nächstes? Und was passiert, wenn ich merke, dass ich die Frage meiner Partnerin mit meinem Körper beantworten kann? Und kann ich beobachten, ob wir etwas gleichzeitig tun oder nacheinander?
Wenn ich all das spüren kann, dann bin ich präsent in meiner Sexualität. Und genau dabei wünsche ich dir viel Freude, auf dieser Forschungsreise zu schauen, wie du in deiner Sexualität präsent sein kannst.