Traumabonding ist die Verbindung, wenn zwei Menschen sich als Paar an ihren tiefsten Verletzungen berühren. Die alten Traumata aus der Kindheit werden aktiviert und aus dem Verliebtsein wird eine schmerzliche Verbindung. Erkennt das Paar den Ursprung seiner Konflikte, kann es die biographischen Erfahrungen aus der Vergangenheit in der Gegenwart integrieren und eine freudvolle Zukunft gestalten.
Im Zusammenhang mit Traumabonding ist ein Trauma nicht ein herausforderndes gegenwärtigen Ereignis wie ein Unfall oder eine Naturkatastrophe. Es ist eine Beziehungserfahrung, die wir als Kind gemacht haben und die uns heute dabei im Weg steht, eine gesunde und erwachsene Partnerschaftserfahrung zu machen. Und das haben wir alle mehr oder weniger. Das macht sich dann als eine schwierige Nähe-Distanzregulation bemerkbar. An Lustlosigkeit in der Sexualität oder häufigen Streitereien, die sich mit Phasen von Schweigen abwechseln. Leider werden diese Erfahrungen häufig nicht als Traumasymptome erkannt.
Im Prinzip haben alle diese Traumata, die aus dysfunktionalen Bindungsmustern heraus entstanden sind, einen gemeinsamen Nenner: Wir erleben als Erwachsene in unserer Partnerschaft Situationen, die sich für uns so anfühlen, dass wir sie nicht wirklich willentlich verändern können. Nicht so, dass wir die Partnerschaft so gestalten können, wie wir uns das wünschen. Und das, obwohl wir uns so anstrengen. Es ist dann wie verhext.
Traumabonding zwischen Partnern
Menschen verlieben sich ineinander, schlafen miteinander und gehen Partnerschaften miteinander ein. Was sie meist nicht wissen. Lange bevor sie der Pfeil Amors getroffen hat, ist eine intensive Verbindung entstanden. Das Traumabonding.
Traumabonding ist ein Magnetismus, der Menschen voneinander angezogen sein lässt, die als Kinder die gleichen Verletzungen erfahren haben. Das, was sich am Anfang anfühlt wie verliebt sein, wie endlich seinen Seelenverwandten gefunden zu haben, ist nichts anderes, als sich unbewusst an seinen alten Bindungstraumata aus der Kindheit erkannt zu haben. Und wenn die Situation zwischen dem Paar dann eskaliert, trennt es sich häufig, anstatt sich etwas bewusst zu machen: Dass es einfach nur von der Vergangenheit am Nacken gepackt wird. Und genau an dieser Stelle kann das Paar sich die Mechanismen bewusst machen, von denen es da gerade heimgesucht wird und einen Entwicklungsschritt vollziehen. Dazu braucht es ein bisschen Wissen darüber, wie diese Mechanismen ablaufen. Und wie man ihnen begegnen kann. Und wie eine Verortung des Paares im Hier und Jetzt aussieht.
Chance statt Problem
Traumabonding klingt bedrohlicher als es wirklich ist. Es ist vor allem nicht unbedingt ein Problem sondern vielmehr ein Hinweis darauf, was in der eigenen Biographie noch etwas Beachtung braucht. Was noch etwas braucht, um gut in unsere Persönlichkeit integriert zu werden. Im Alltag sieht es oft so aus, dass die Partner das Gefühl haben, der andere macht ihn verrückt. Dabei ist der Partner nur der Hinweis auf biographisches Material, dass noch nicht bewusst gemacht und noch nicht bearbeitet ist. Das fühlt sich dann so an, dass man denkt, wenn der oder die andere nur ein bisschen anders wäre, könnte die Partnerschaft so viel einfacher und schöner sein. Aber der Andere ist nicht das Problem, sondern nur der Auslöser für ein altes Thema. Interessanter Perspektivwechsel, oder?
Wenn unser Kindheitstrauma die Anziehungskraft des Traumabonding bestimmt
Jeder und jede von uns trägt bestimmte Verletzungen mit sich herum. Irgendwann in unserem Leben, als Jugendliche oder auch als Erwachsene treffen wir dann jemanden, der ganz genau zu dieser Verletzung passt. Und in diese Person verlieben wir uns bzw. fühlen uns von dieser Person sexuell sehr stark angezogen. Verantwortlich hierfür sind maßgeblich unsere Entwicklungstraumata aus der Kindheit. Und nicht die schönen Augen unseres Gegenübers, wie wir gerne glauben wollen. Eine ganze Weile geht das dann oft gut, der Hormoncocktail in unserem System, den wir üblicherweise Liebe nennen, lässt uns die Anfangszeit mit einem neuen Menschen oft als einen Rausch erleben. Irgendwann, manchmal früher, manchmal später, fangen die Schwierigkeiten für das Paar an.
Die Themen, die das Paar als problematisch bewertet, können im Außen ganz unterschiedlich aussehen. Sie haben aber im Innern die alten Verletzungen aus Kindertagen zur Ursache. Und diese alten Verletzungen kommen nun ans Tageslicht. Und zwar so lange, bis sie integriert sind. Integriert bedeute an dieser Stelle: Die alten Verletzungen werden bewusst gemacht und dann in der Gegenwart neu verhandelt. Was das ganz genau bedeutet, erläutere ich an einem Fallbeispiel.
Wie beeinflusst das Trauma ganz konkret die Partnerschaft?
Manche Paar scheitern an einer gelungenen Nähe-Distanz-Regulation, die für beide ein passendes Maß an Nähe und Autonomie schafft. Das kann zum Beispiel daher kommen, dass ein Partner in seiner Kindheit ganz wenig Nähe und Zuwendung von seinen primären Bezugspersonen bekommen hat (meistens sind das die Eltern). Und jetzt, wo er oder sie einen liebevollen und zugewandten Partner hat und endlich die ganze Zuwendung und Liebe genießen will, klappt das dann nicht.
Weil genau so jemand sich möglicherweise einen Partner auswählt, der als Kind von den Eltern mit Zuwendung und Aufmerksamkeit geflutet wurde. Und der nun denkt, jetzt gibt es ganz viel Raum und Freiheit zur individuellen Entfaltung. Weil er davon ausgeht in einer erwachsenen Partnerschaft gelandet zu sein. Und dann zu merken, dass hier ein Irrtum vorliegt, ist meist ein Schock!
Dann finden sich diese beiden in einer verflixten Situation wieder. In einer Situation, in der einer die ganz Zeit der Nähe des anderen hinterherläuft und dieser sich die ganze Zeit der Einengung seines Partners entzieht.
Und dann laufen die beiden im Kreis. Dieses Tänzchen geht dann so lange, bis das Paar sich trennt oder einer von beiden dieses Verhaltensmuster durchbricht und das Weglaufen oder das Hinterherlaufen stoppt. Dann können beide stehen bleiben und schauen, ob ihnen ein bewusster Umgang mit der Situation gelingt und sie aus diesem Standardmuster ausseigen können. Ein Ausstieg sieht dann so aus, dass beide wahrnehmen und kommunizieren, wie viel Nähe und Distanz brauchen sie denn beide als Erwachsene und nicht als die Kinder, die sie einmal waren.
Mehr zum Thema Trauma erfährst du hier.
Vom Trauma zum Traum oder: Wie du dein Traumabonding umarmen kannst
Und dann beginnt die Neuverhandlung der beiden mit ihrer eigenen Biographie und die Neuverhandlung des Paares miteinander. Und dann entscheidet sich, ob das Paar gemeinsam wächst oder ob die alten Muster stärker sind. Das bedeutet für das Paar, dass die beiden sich ewig streiten und sich die Hölle in ihrer Partnerschaft bereiten oder sie einen Weg finden. Einen Weg, bei dem sie gleichermaßen autonom und verbunden sein können. Denn das ist die Grundlage für eine reife und erwachsene Partnerschaft.
Die spannende Frage ist in solchen Prozessen: Ist das Paar bereit und in der Lage, einen gemeinsamen Bewusstseinsprozess zu gestalten und diesen in ihrem Alltagsleben als Paar zu verwirklichen.
Eine Partnerschaftsbeziehung ist hervorragend dafür geeignet, all die ganzen Schwierigen Kindheitserfahrungen bewusst zu machen und in die Erwachsene Persönlichkeit zu integrieren. Der Nebeneffekt dieser Anstrengung ist es, eine glückliche und lebendige Partnerschaft leben zu können. Ein Traumabonding aufzulösen kann eine sehr erleichternde und freudvolle Erfahrung sein.
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