TrennungsschmerzWenn bei einem Paar einer von beiden sagt: Ich trenne mich von dir, dann werden aus einem Paar zwei Singles. Und der Trennungsschmerz tritt auf den Plan. Für beide ist dieser Moment eine Zäsur in ihrem Leben. Danach ist nichts wie vorher.

Die Partnerschaft wird zu einer Sammlung aus Erinnerungen, Fotos und Fragmenten, die an den jeweils anderen erinnern. Der Trennungsschmerz kann sich anfühlen wie eine schleichende und lähmende Vergiftung. Oder er kann einschlagen wie der Blitz. Aber auf die eine oder andere Art wird es für die Akteure in dieser Situation  sehr schmerzhaft.

Was tun mit den Geburtsgeschenken? Was tun mit dem Schal oder der Mütze, die irgendwann unter dem Autositz hervorgeklaubt werden? Oft wird das Schreibtischfoto des (noch oder ehemals) geliebten Menschen erstmal in die Schublade gesteckt. Als Zwischenstadium einer Lebensveränderung und als Ausdruck der eigenen Ratlosigkeit. Betroffene erleben dieses Stadium oft als eine schmerzhafte Starre.

 

Derjenige der geht, ist nicht immer der, der sich trennt

Einer von beiden spricht es irgendwann aus. Die Trennung. Oftmals ist das derjenige, der es einfach etwas weniger aushält. Den Streit, den Libidoverlust, die unterschiedlichen Lebenseinstellungen oder die immer weiter auseinandertriftenden sexuellen Bedürfnisse.

Sexualität ist eines der häufigen Themen, bei denen sich das Paar irgendwann verliert. Das kann seine Ursache in den traumatischen Elementen der Biographien beider Partner haben. Der Zusammenhang von sexueller Erregung und Trauma ist vielen nicht bekannt. Und viele sind auch ratlos, wie sie mit diesen Traumatisierungen im Zusammenhang mit ihrer Sexualität umgehen sollen. Es kann aber auch sein, dass das Paar einfach nie wirklich über seine Sexualität und die jeweiligen sexuellen Bedürfnisse der Partner gesprochen hat.

An dieser Stelle kann es zur Orientierung nützlich sein, herauszufinden, was eigentlich mit einem selbst oder dem Partner los ist. Denn wenn ich weiß, wo ich bin und wo ich hin will, kann ich mich auf die Reise machen. Ansonsten irre ich einfach nur herum. In der Hoffnung, zufällig über die Lösung zu stolpern.

 

Vor dem Beziehungsende werden die einzelnen Phasen der Trennung oft nicht als Warnzeichen erkannt

Oftmals hat sich ein Partner schon lange vor der Trennung aus der Partnerschaft zurückgezogen und die gemeinsamen Aktivitäten eingestellt, das Reden eingestellt. Kurz gesagt, die Partnerschaft durch Unterlassung ausgehungert. Und der andere hat zugeschaut, geflucht, geschimpft, gestritten und irgendwann die Notbremse gezogen. Als alles kämpfen um die Beziehung nicht mehr geholfen hat, ist er oder sie in die Trennung geflüchtet. Doch das kann den Trennungsschmerz nicht verhindern.

Wenn sich das Paar in der Konfliktphase befindet, wird es Zeit zu handeln. Dann muss etwas Neues geschehen. Dann muss das Paar aus eigener Kraft die Veränderung herbeiführen oder sich Unterstützung holen. Auch wenn keine Lösungen gefunden werden, hört ein streitendes Paar irgendwann auf zu streiten und beginnt zu schweigen. Das sieht manchmal auf den ersten Blick aus wie eine Verbesserung der Situation. Ist es aber in der Regel nicht. Wahrscheinlich ist an dieser Stelle einer von beiden einfach ausgestiegen. Kollaps. Vorbereitung des Abschieds. Und sobald sich ein Anlass bietet oder ein Ausweg sichtbar wird, ist er oder sie weg. Ein Job in einer anderen Stadt. Ein funkelndes Augenpaar, in das Mann oder Frau sich verliebt. Oder ganz banal, die freigewordene Wohnung des besten Freundes.

 

Beziehungsende und Trennungsschmerz sind Koproduktionen

In unserer Kultur herrscht das Phänomen vor, dass derjenige, der getrennt wurde, alles Recht der Welt hat zu klagen, zu trauern, Mitleid zu erregen und sich in einem Zustand des krank seins einzufinden. Demjenigen, der die Trennung ausgesprochen hat, wird dieses Recht nicht zugestanden, meist gesteht er oder sie sich dieses Recht auch selbst nicht zu. Derjenige, der sich trennt, ist der Täter, der Konfliktvermeider, derjenige der „einfach vor Problemen wegläuft“ und derjenige, der getrennt wurde, ist das Opfer. Was für ein Quatsch! So zu denken und zu urteilen hilft niemandem und schafft in dieser ohnehin schon schwierigen Situation für diese beiden Menschen nur neue Probleme.

Trennungsprozesse sind häufig auch mit starken Ängsten verbunden. Dabei kann es sich um eine situationsgemäße Angst handeln. Es kann aber auch eine Angststörung auftreten. Schmerz und das Leid ist bei den beiden nun Ex-Partnern oft ähnlich. Aber wie kommt das? Derjenige, der sich getrennt hat, hat sich doch dafür entschieden? Er oder sie hat doch nun, was er oder sie will? Was passiert da? Warum tut Trennung so weh?

 

Der Mensch pendelt zwischen Bindung und Autonomie

Menschen sind von ihrer evolutionären Konstruktion her so, dass sie Bindungen zu anderen Menschen eingehen. Zu ihrer Bezugsgruppe, die für viele tausend Jahre ihre Horde war, ihren Partnern und ihren Kinder und ihren anderen Familienangehörigen und Freunden. Für sehr lange Zeit war eine gelungene Bindung zu anderen die Voraussetzung für das eigene Überleben. Bei der Jagd. Bei der Verteidigung gegen Tiere und Feinde. Beim gemeinsamen Bewältigen lebenswichtiger Aufgaben.

Im zwanzigsten Jahrhundert hat sich ein zusätzlicher menschlicher Archetyp herausgebildet. Dieser steht im krassen Gegensatz zum kooperativen Bindungstypen: Der vollständig autonome Mensch. In der kollektiven Wirklichkeitskonstruktion wird dieser Archetyp bis zur Groteske abgefeiert. Der einsame Wolf, der durch zahllose Romane streunt oder Clint Eastwood bei seinen Missionen im wilden Westen: Sie brauchen keine anderen Menschen, sie haben keine in ihrem Leben und sie wollen auch keine. Es gibt nur sie und sonst nichts und niemanden.

 

Die Perspektive schafft die Wirklichkeit

Je nach Perspektive werden solche Charaktere bewundert oder eben auch als Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Genauso begegnen Menschen denjenigen, die in ihrer Partnerschaft und Familie als eigenständige Wesen vollständig verschwinden. Bewundernd oder abwertend. Je nach dem, mit welchem Thema die Betrachter gerade selbst unterwegs sind. Autonom oder gebunden? Das ist für viele die Frage. Autonom und gebunden. Das ist die Antwort. Das klingt einfach. Ist aber nicht leicht. Meisterklasse.

Manchmal ist es gut, in dieser Situation einen geeigneten Coach als Gegenüber für ein klärendes Gespräch zu haben. Oder als Resonanzraum für die verwirrenden Gefühle. Oder einfach, um mal das Durcheinander als Ganzes zu sortieren.

 

Unser Hormonhaushalt belohnt es, wenn wir uns mit anderen Menschen wohlfühlen

Wenn wir eine gute Zeit mit einem anderen Menschen haben, produziert unser Körper das Bindungshormon Oxytocin. Der zugewandte Kontakt zwischen Menschen kann von außen aussehen wie ein gutes Gespräch. Oder wie ein Kind auf dem Arm eines Erwachsenen. Es kann aussehen wie Sex. Oder wie eine Kissenschlacht oder ein Kuschelhaufen.

Wenn Menschen beim Sex Orgasmen haben, produziert ihr Körper mehr Oxytocin, als wenn die Orgasmen ausbleiben. Wo es gut läuft, sollen wir verweilen, signalisiert uns unser Körper. Wenn Menschen gewalttätig werden, produziert der Körper des Gegenübers weniger Oxytocin. Kontakt alleine reicht nicht. Gut muss er sein. Weniger Oxytocin bedeutet weniger Gefühle und weniger Bindung. Beides schafft gute Voraussetzungen, um sich von einem gewalttätigen Partner zu trennen oder bei abschätzigen und übermäßig kritischen Eltern auszuziehen.

 

Trennungsschmerz ist ein körperlicher Vorgang und kein Denkprodukt

Wenn wir uns trennen oder getrennt werden, nimmt die Oxytocinproduktion im menschlichen Körper ab. Die Folgen sind Antriebslosigkeit und Passivität. Durch Rückzug und mangelndem Kontakt zu anderen Menschen wird alles nur noch schlimmer. Der Oxytocinspiegel im Körper nimmt noch weiter ab. Für manche wird diese Situation so schlimm und nahezu unerträglich, dass sie den Partner unbedingt wieder zurückgewinnen wollen. Selbst dann, wenn sie selbst diejenigen waren, die sich getrennt haben. Lieber wieder den Preis für das bezahlen, weswegen sie gegangen sind, als das aushalten zu müssen, was die Trennung mit sich bringt. Das kann sich anfühlen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Auf jeden Fall ist es gut, zu wissen, was es mit dem Trennungsschmerz auf sich hat. Dann kann eine gute Entscheidung darüber getroffen werden, wie es weiter gehen soll.

 

Should I stay or should I go?

Manche Paare versuchen einen Neuanfang (der eine gute Unterstützung durch eine Paarberatung bekommen kann), andere Partner sind dafür nicht bereit. In beiden Fällen bedeutet das nun, entweder an sich selbst arbeiten zu müssen oder in dem dunklen Loch in der eigenen Seele sitzen zu bleiben. Viele scheuen in dieser Situation den Kontakt zu einem Berater, Beziehungsschwierigkeiten zu haben, die nicht alleine gelöst werden können, ist in unserer Kultur immer noch ein Tabuthema.

Schon das Wort Paartherapie löst bei vielen Menschen einen Fluchtimpuls aus. Lesen Sie dazu meinen Artikel: Paartherapie? – Ein Paar zu sein ist keine Krankheit. Falls das Paar sich dafür entscheidet gemeinsam weiter zu machen, muss es etwas Neues machen, wenn es andere Resultate erreichen möchte. Meiner Erfahrung nach liegt ein möglicher Schlüssel zu etwas Neuem in der Art und Weise, wie das Paar miteinander spricht. Hierzu habe ich eine ganz praktische Navigationshilfe geschrieben. Eine Gebrauchsanleitung für Paargespräche zwischen Abwasch und Bett. Kommunikation ist möglich. Auch wenn es Situationen gibt, in denen die Zweifel den Hoffnungen ernsthaft Konkurrenz machen können.

Wenn du durch die Hölle gehst, geh‘ weiter. Das gilt für Trennungsschmerz ganz besonders

Anstelle von Rückzug und der Aktivierung des Trennungsschmerzes durch das wiederholte Anschauen alter Urlaubsfotos braucht der frisch getrennte Mensch Kontakt zu anderen Menschen. Dadurch kann er oder sie die Oxytocinproduktion wieder ankurbeln. Familie und Freunde sind hierbei geeignete Adressen. Menschen, die gelernt haben, dass sie einen guten Kontakt zu anderen Menschen über Sexualität herstellen, beginnen häufig kurz nach der Trennung eine neue Liebschaft. Und das, obwohl sie innerlich noch gar nicht wirklich so weit sind. Ihr Herz blutet noch viel zu sehr, um sich für eine neue Liebesbeziehung zu öffnen.

Eine neue Beziehung löst zwar das Problem der Oxytocinproduktion ziemlich schnell. Sie schafft aber häufig genau wieder die Probleme, wegen denen die alte Partnerschaft in die Brüche gegangen ist mit. Nur mit neuer Besetzung. Es ist ja schließlich noch nichts bearbeitet. An dieser Stelle kann es hilfreich sein, zu lernen, wie ein guter und zugewandter Kontakt zu anderen Menschen von Sexualität entkoppelt werden kann. Mit Freunden. Mit Familie. Bei Hobbies.

 

Trennungsschmerz zwischen Trauer und Trauma

Eine Trauerphase ist nach einer Trennung normal. Und zwar für beide Partner. Diese Trauerphase kann durchaus ein oder zwei Jahre dauern. Hier ist das Wichtigste: So viel Zeit dafür nehmen, wie es für Körper und Seele gut tut. Der Trennungsschmerz sollte in dieser Zeit deutlich abnehmen.

Manchmal wird die Trennung von einem oder beiden Partnern hingegen als ein unbewältigbares und überflutendes Ereignis wahrgenommen. Dadurch kann eine Traumatisierung stattfinden. Dann braucht es für die Genesung mehr als ein, ab diesem Zeitpunkt in punkto Beziehung, positiv gestaltetes Leben. Meist finden sich in den biographischen Erfahrungen dieser Menschen weitere Trennungen und Beziehungsabbrüche. In der Kindheit sind dann häufig Entwicklungstraumata zu finden, die nicht bearbeitet und in die Biographie des betreffenden Menschen integriert wurden. Hier lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Es kann hilfreich für die beiden Partner sein, zu erkennen, ob sie die Traumata ihrer Kindheit miteinander reinszenieren.

Traumpaare von Traumapaaren zu unterscheiden ist ein wesentlicher Punkt, um zu klären, was bei dem Paar eigentlich los ist. Somatic Experiencing kann hierbei ein hilfreiches Verfahren zur Unterstützung dieses Prozesses sein. Es gibt aber eine ganze Reihe weiterer Methoden zur Bearbeitung biographischer Elemente. Ich stelle sie in meinem Artikel Traumatherapie unter der Lupe ausführlicher vor. Jeder Mensch ist anders und jeder und jede braucht etwas anderes. Es gibt keine standardisierte Persönlichkeitsentwicklung.

 

Trennungsschmerz ist bei einem Beziehungsende ganz normal. Leider. Und dieser Schmerz braucht Mitgefühl und Achtsamkeit, um ihn zu lösen

Egal in welcher Phase der Trennung sich Menschen befinden. Es tut weh. Und das ist normal. Das ist ein Zeichen von Lebendigkeit. Nur wenn jemand schon total abgestumpft ist, spürt er oder sie den Trennungsschmerz nicht mehr. Das ist dann ein Zeichen dafür, dass der Schmerz so groß ist, dass er von der betreffenden Person nicht gefühlt werden kann. Nicht gefühlt werden will. Weil alles viel zu viel ist. Weil es viel zu weh tut.

Wenn sich ein Mensch in einem Trennungsprozess befindet und das Gefühl hat, an der Trennung vor Trennungsschmerz zu sterben und der Partner geht damit völlig cool um, dann kann ich zu dem Schmerzbeladenen nur sagen: Ja, es tut weh. Aber du lebst noch. Herzlichen Glückwunsch. Manche Menschen können mit dem Trennungsschmerz nichts anderes machen, als ihn abzuspalten. Ihn zu ignorieren. Sich zu betäuben. Ablenkung zu suchen. Wie auch immer. Derjenige, der mit seinem Trennungsschmerz in Kontakt bleibt, bleiben kann, hat bessere Aussichten, erfolgreich durch diese Beziehungskrise oder dieses Beziehungsende zu kommen.

Es gibt keinen Umweg, die Gefühle zu fühlen, die durch den Trennungsschmerz erzeugt werden. Dann ist oft alles viel zu viel. Und dann braucht es Hilfe. Von Freunden. Durch Familie. Von Profis.

 

Trennungsberatung oder Paarberatung?

Am Ende ist es für das Ergebnis egal, wie das Vehikel heißt. Paarberatung, Paarcoaching, Paarmediation. Das sind alles Marketinglabels. Es geht einfach darum, dass eine außenstehende und neutrale Person das Paar dabei unterstützt, den Ausweg aus dem selbst gepflanzten Dickichtschungel zu finden. Wichtig ist dabei, dass beide sich mit dem Berater oder der Beraterin wohl fühlen und das schnell der Eindruck entsteht, bei dieser Person richtig zu sein und mit seinem Anliegen verstanden zu werden. Wenn es sich nicht gut anfühlt oder die beratende Person alles nur noch komplizierter macht: Wechseln. Soviel Investition an Zeit und Geld zahlt sich am Ende aus.

 

Am Punkt der tiefsten Ausatmung beginnt das Neue

Und es ist genauso okay, nach einer Phase des Betäubens, der Ablenkung und der Schuldzuweisung an den jeweils anderen etwas zur Ruhe zu kommen und zu sagen: Und jetzt schaue ich mir an, was ich tun kann. In Punkto meines Schmerzes. In Bezug auf meine “noch” oder meine “nicht mehr” oder meine “noch mal von vorne” -Beziehung. Und wie will ich eigentlich weiter machen? Alleine? Zu zweit? Mit jemandem anderes? Krisen sind ein geeigneter Zeitpunkt, um alleine oder zu zweit eine Bestandsaufnahme des eigenen Lebens zu machen. Das gilt auch für die Liebe und die Partnerschaft. Wo sind wir? Was hat uns hierher gebracht? Wo wollen wir hin. Und – verdammt nochmal – wie könnte das gehen? In einer Beziehung verbunden und glücklich zu sein. Ich finde nämlich, dass jeder Mensch das verdient hat.

Apropos: Frisch verliebte Meerschweinchen mit erhöhtem Oxytocin-Spiegel können sich die Lage eines Futterplatzes partout nicht merken. Das kommt ja manch einem vielleicht bekannt vor? Verliebte sind im Rausch. Und irgendwann ist dieser Rausch zu Ende. Dann beginnt das Leben. Und die Liebe. Die Liebe? Kennen Sie schon meinen Artikel: Ich liebe dich! Aber was ist Liebe?

 

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